Wie bemisst sich der Wert eines Menschen?

Die Debatte um Zuwanderung, Flucht und Asyl dreht sich weiter, trotz oder gerade wegen der PEGIDA-Demonstrationen, die eigentlich eine Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus in Gesellschaftsschichten jenseits der klar der neonazistischen Szene  nötig machen würde. Stattdessen wird verstärkt ökonomisch argumentiert, der Wert eines Menschen auf nackte Zahlen reduziert.

Auf das geradezu klassich zu nennende Vorurteil, Menschen, die nach Deutschland kommen, täten dies nur, um sich in der Hängematte des deutschen Sozialsystems auszuruhen, wurde mit Bezug auf eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsförderung eingewandt, Migranten würden im Schnitt 3.300 Euro mehr in die deutsche Kasse spülen, als sie kosten.

Um auf die Schwachpunkte des Vorurteils aufmerksam zu machen, war dies vielleicht einmal nötig, allerdings zeigt sich prompt die Gefahr einer solchen auf Finanzen reduzierten Argumentation. Der Ökonom und Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn machte prompt eine Gegenrechnung auf und warf die Behauptung in den Raum, Migration sei ein Verlustgeschäft. Laut einem Bericht der FAZ koste demnach jeder Migrant den Staat im Schnitt 1.800 Euro. Dass diese Rechnung von Hans-Werner Sinn nicht haltbar ist, hat dankenswerterweise Spiegel online in einem Faktencheck gerade gezeigt.

Die Argumentationslinie von Herrn Sinn zeigt aber die Gefahren auf, spielt sie sich doch auf einer Ebene mit Stammtischparolen wie „Wir brauchen Ausländer, die uns nützen, keine die uns ausnützen“ ab. Nur, dass sie pseudo-intellektuell eingepackt ist. Die Aussagen von Herrn Sinn untergraben aber in großem Maße das, was als Solidargemeinschaft bezeichnet wird, greift das soziale Gefüge der Demokratie an. Denn warum sollte diese Betrachtungsweise bei Migranten halt machen? Schließlich lässt sie sich doch ohne weiteres auf alle möglichen sozialen Gruppen wie z. B. Hartz IV-Empfänger übertragen. Der Mechanismus der Exklusion ist darin angelegt. Der Weg bis zur Frage, Menschen, die den Staat nur Geld kosten, aber im finanzieller Hinsicht nichts einbringen bestimmte Grundrechte wie z. B. das Wahlrecht abzuerkennen, ist nicht weit (tatsächlich finden sich solche Diskussionen immer mal wieder im extrem rechten Lager).

Gestolpert bin ich allerdings noch über einen weiteren Satz von Herrn Sinn, der in dem oben bereits verlinkten Artikel der FAZ fordert, man solle das Thema Migration „ideologiefrei und nicht vom Streben nach politischer Korrektheit“ getrieben führen. Den Ruf nach Ideologiefreiheit vernehme ich vorzugsweise von denen, deren politischen Positionen das stärkste Maß an ideologischer Aufladung mitbringen. Auch Hans-Werner Sinns Einlassungen sind hochgeradig ideologisch und mitnichten rein rational, wie er zu suggerieren versucht.

Ausnahmsweise bin ich Bundeskanzlerin Merkel dankbar dafür, dass sie in ihrer Neujahrsansprache offenbar klare Worte der Ablehnung gegenüber PEGIDA findet und auch darauf aufmerksam macht, dass viele Flüchtlingen, die hierher kommen, dem Tod entronnen sind. Die Debatte ist deutlich vielschichichtiger und komplexer als das sie lediglich auf die Frage nach dem ökonomischen Wert eines Menschen verkürzt werden dürfte.

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