Die NPD in Sachsen nach den Wahlen 2009

Nachfolgender Artikel von mir ist erschienen in folgender Publikation: DAKS e. V. (Hrsg.) (2009): Tu was gegen Rechts – Was Kommunalos wissen sollten, Leipzig. Die Publikation steht hier als pdf zur Verfügung.

Die NPD in Sachsen nach den Wahlen 2009

Einleitung

Das Wahljahr 2009 hatte für die sächsische NPD besondere Bedeutung. Zum einen hieß es, sich durch ein gutes Ergebnis bei den Kommunalwahlen am 7. Juni 2009 in der Fläche weiter zu verankern. Zum anderen – und von noch größerer Bedeutung für die NPD – ging es um den Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag am 30. August 2009 und die daraus resultierenden Privilegien.

In diesem Artikel soll auf einige wesentliche Wahlergebnisse der NPD vor allem bei den Kommunal- und Landtagswahlen eingegangen werden. Auf die sächsischen Ergebnisse der NPD bei den Bundestagswahlen wird nur ergänzend eingegangen. Sie spielen im Vergleich zu den beiden anderen politischen Ebenen nur eine untergeordnete Rolle, da Erfolg oder Misserfolg bei der Bundestagswahl nicht allein an der sächsischen NPD festzumachen wären. Ein Bundestagseinzug der NPD ist auf absehbare Zeit überdies unrealistisch. Anders verhält es sich mit der Präsenz der NPD auf Landesebene. Die Auseinandersetzung mit den Wahlergebnissen der NPD ist deshalb wichtig für die Beantwortung der Frage, ob sich die NPD in Sachsen mittelfristig etabliert hat oder nicht.

Auf die Wahlergebnisse anderer extrem rechter Parteien und Wahlvereinigungen wie etwa das „Bündnis Arbeit, Familie, Vaterland“, die Sächsische Volkspartei, die DSU in Sachsen wird in diesem Artikel nicht eingegangen, da es sich hierbei um ausschließlich regionale Erscheinungen handelt. Die NPD ist derzeit die einzige Struktur in Sachsen, die in der Lage ist annähernd flächendeckend zu arbeiten.

Die Bedeutung von Wahlen in der Ideologie der NPD

„Es ist unser Ziel, die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor fünfzehn Jahren die DDR abgewickelt hat. Dies geht offensichtlich auch über die Wahlurne.“ (Udo Voigt, Bundesvorsitzender der NPD im Interview mit der neurechten Wochenzeitung ‚Junge Freiheit’ im September 2004)

„Wir stehen diesem volksfernen Parlamentsbetrieb heute so kritisch distanziert gegenüber wie eh und je; im Gegenteil, heute mehr denn je, da wir uns das induzierte Irresein unserer Gegner seit nun fast fünf Jahren tagtäglich anschauen können. Heute kennen wir die volksfeindliche Politik dieser Heuchler aus der Praxis in- und auswendig, Heute wissen wir aus eigener Anschauung, um was es sich bei einem BRD-Parlament handelt: Um nichts anderes als eine Schwatzbude, die Karikatur einer wirklichen Volksherrschaft! […] Und trotzdem ist ein solcher Landtag, den wir nun fast 5 Jahre mit unserer Arbeit bereichern, natürlich für unsere eigene Partei und unser künftiges Personal eine wertvolle Schulungs- und Ausbildungsstätte. Und so nutzen wir die Landtagsbühne als Politikwerkstatt, als Plattform zur Entwicklung politischer Visionen; um uns mit Herrschaftswissen und geistigen Rüstzeug im Kampf gegen die Feinde unseres Landes auszustatten. […] Ein Parlament ist Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger!“ (Holger Apfel, Vorsitzender der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, auf dem NPD-Landesparteitag im März 2009)

Die beiden oben aufgeführten Zitate verdeutlichen das instrumentelle Verhältnis der NPD zu demokratischen Wahlen und der parlamentarischen Demokratie. Nicht um die Möglichkeit der Politikgestaltung im Rahmen der Demokratie geht es ihr, sondern um die grundsätzliche Überwindung der Demokratie und die Errichtung eines autoritären Führerstaats. Wahlen und die Präsenz in Parlamenten haben dabei aus Sicht der NPD jedoch eine bestimmte Funktion. Zum einen soll die Teilnahme an Wahlen und die Möglichkeit auf diesem Wege legal Macht zu erhalten einen Beitrag zum Sturz des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland leisten. Zum anderen erhofft man sich durch die Präsenz von NPD-Abgeordneten in Parlamenten Stück für Stück als normaler Bestandteil des politischen Systems wahrgenommen zu werden und so für breitere Wählerschichten akzeptabel zu werden. Darüber hinaus erhofft sich die NPD Wissen erlangen zu können, das ihr ohne Parlamentszugehörigkeit verwehrt bliebe – etwa durch das Recht im Sächsischen Landtag Kleine und Große Anfragen an die Sächsische Staatsregierung stellen zu können.

Eine wesentliche Motivation stellt dabei auch der Faktor Geld dar. Durch den Wahlerfolg bei den Landtagswahlen 2004 erhielt die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag zuletzt pro Jahr über 1,3 Mio. Euro. Mit diesem Geld konnte die NPD Mitarbeiter bezahlen, Informationsmaterialien produzieren und ihr Auftreten insgesamt professionalisieren. Der erneute Einzug in den Sächsischen Landtag am 30. August 2009 gibt der NPD die Möglichkeit, diese Strukturen erhalten und weiter ausbauen zu können. Aber auch Kommunalwahlen spielen für die NPD eine zentrale Rolle. Die Verankerung vor Ort soll der NPD zu Wahlerfolgen auf höheren politischen Ebenen verhelfen. Die Bedeutung, welche die NPD den Kommunalwahlen beimisst, geht auch aus einer Pressemitteilung der NPD hervor, die Ende April 2009 herausgegeben wurde. Dort heißt es: „Bereits 2004 konnte die NPD mit punktuellen kommunalen Erfolgen den Grundstein für ein großartiges Landtagswahlergebnis legen, und auch diesmal wird die Kommunalwahl am 7. Juni den Grundstein für den erstmaligen Wiedereinzug einer NPD-Fraktion in einen deutschen Landtag bilden.“

Die Kommunalwahlen 2009

Nach den Kreistagswahlen im Juni 2008 gelang es der NPD auch zu den Stadt- und Gemeinderatswahlen 2009 in allen Landkreisen und kreisfreien Städten NPD-Kandidaten aufzustellen. Zu gute kam ihr allerdings bei beiden Wahlen die zum 1. August 2008 erfolgte Neugliederung der Kreisstrukturen und die damit verbundene Reduzierung der Landkreise von 22 auf 10, ohne die die NPD diesen Kraftakt wohl nicht hätte bewerkstelligen können.1

Mehr als 300 Kandidatinnen und Kandidaten in 103 der 491 sächsischen Städte und Gemeinden bot die NPD zur Kommunalwahl am 7. Juni 2009 auf. Mancherorts umfassten die Listen lediglich ein oder zwei Kandidatinnen und Kandidaten, andernorts waren es sieben, acht, neun oder noch mehr. Insbesondere auf die großen Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig legte die NPD dabei mit umfangreichen Listen gesonderten Wert. Erstmals gelang es ihr in allen drei Städten sämtliche Wahlkreise mit eigenen Kandidaten zu besetzen.

Die Zahl der Städte und Gemeinden, in denen die NPD mit eigenen Listen antrat, variiert von Landkreis zu Landreis stark. Schlusslicht bildeten die Landkreise Vogtland mit drei sowie Nordsachsen mit vier Listen. Stark präsent war die NPD in den Landkreisen Bautzen, Erzgebirge und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit jeweils vierzehn Listen, sowie dem Landkreis Leipzig mit achtzehn Wahlantritten.

Aber auch innerhalb der einzelnen Landkreise sind zum Teil erhebliche regionale Unterschiede zu verzeichnen, wie ein Blick auf die alten Kreisstrukturen zeigt. So konnte die NPD in den Landkreisen Bautzen und Erzgebirge eine in etwa gleichmäßige Präsenz sicherstellen. Im Erzgebirge stellte die NPD in den Altkreisen Annaberg drei, in Aue-Schwarzenberg vier, im Mittleren Erzgebirgskreis vier und in Stollberg drei Listen auf. In Bautzen waren es im Altkreis Bautzen sieben, im Altkreis Kamenz sechs Listen. Deutliche Ungleichgewichte hingegen gab es bezüglich der NPD-Listenaufstellungen in den Landkreisen Görlitz, Leipzig und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zu verzeichnen. Im Landkreis Görlitz trat die NPD im Altkreis Löbau-Zittau in sieben Kommunen, im Niederschlesischen Oberlausitzkreis in drei sowie in der ehemals kreisfreien Stadt Görlitz an. Im Landkreis Leipzig entfielen vierzehn Listen auf den ehemaligen Muldentalkreis und lediglich vier auf den früheren Landkreis Leipziger Land. Im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge waren es im ehemaligen Landkreis Sächsische Schweiz elf Städte und Gemeinden, in denen die NPD antrat, im ehemaligen Weißeritzkreis lediglich drei.

Dies zeigt, dass die NPD nach wie vor eine zu schwach ausgeprägte Personaldecke besitzt, um eine ernsthaft flächendeckende Präsenz zu gewährleisten, auch wenn sie mit derzeit rund 850 Mitgliedern die stärkste Partei der extremen Rechten in Sachsen ist. In ihren „traditionellen“ Hochburgen wie etwa dem Muldental oder der Sächsischen Schweiz stellt dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Problem dar, andernorts ist sie auf die Kooperation mit der nicht parteigebundenen Neo-Nazi-Szene angewiesen. Wenn eine Region von der NPD nur schwach besetzt ist, heißt dies also nicht, dass es dort weniger Rechtsextremismus gibt. Vielerorts zeigt dies vielmehr ein distanziertes Verhältnis zwischen NPD und freier Szene an, wie es derzeit beispielsweise im Vogtland zu beobachten ist.

Bei den Kommunalwahlen am 7. Juni 2009 erzielte die NPD schließlich 2,3%, erhielt über 107.000 Stimmen2 und zog in 63 Städten und Gemeinden mit insgesamt 74 Mandaten in allen zehn Landkreisen sowie den drei kreisfreien Städten Chemnitz, Dresden und Leipzig in die kommunalen Parlamente ein. Allerdings ist das landesweite Ergebnis von 2,3% nur bedingt aussagekräftig, da es regionale Schwerpunkte nicht abbildet.

Eine erste grobe regionale Gliederung zeigt, dass die NPD in den kreisfreien Städten sowie den Landkreisen Leipzig und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge überdurchschnittlich stark abschnitt. Allerdings sind die kreisfreien Städte und die Flächenlandkreise nur schwer miteinander vergleichbar, da letztere eine große Zahl von Städten und Gemeinden umfassen. In den einzelnen Kommunen lagen die Ergebnisse der NPD meist deutlich über den kreisweiten Zahlen. Insofern relativieren sich auch die zunächst hohen Ergebnisse der NPD in den drei kreisfreien Städten, die in der Übersicht der einzelnen Kommunen eher am unteren Ende anzusiedeln sind. Insgesamt blieb die NPD in 56 Städten und Gemeinden unterhalb von 5 Prozent, in 43 Städten und Gemeinden lagen die Ergebnisse zwischen 5 und 10 Prozent, in drei weiteren zwischen 10 und 20 Prozent, in einem Fall gelang ihr ein Ergebnis von über 20 Prozent. Damit hat die NPD in rund 45% der Städte und Gemeinden, in denen sie antrat, Ergebnisse von mehr als 5% erzielt. Wenig überraschend ist, dass die meisten der Städte mit NPD-Wahlergebnissen von über 5% dabei in Landkreisen liegen, in denen die NPD ein überdurchschnittlich hohes Wahlergebnis erzielte. So liegen mehr als die Hälfte der Kommunen mit über 5% NPD-Stimmanteil in den Landkreisen Leipzig und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.

In 63 der 103 Kommunen, d. h. in mehr als 60% der Städte und Gemeinden, in denen die NPD antrat, konnte sie Mandate erringen. Die größten Erfolge verbuchte sie dabei in den Landkreisen Erzgebirge mit zehn, Leipzig mit zwölf und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit sechzehn Mandaten. Am schwächsten schnitt sie in den Landkreisen Vogtland mit einem und Mittelsachsen mit zwei Mandaten ab. Nicht in allen Landkreisen war eine hohe Zahl von Wahlantritten auch mit vielen Erfolgen verbunden. Im Landkreis Bautzen ging die NPD mit 14 Listen ins Rennen, lediglich in fünf Kommunen war sie erfolgreich. Ein ähnliches Bild bietet der Landkreis Mittelsachsen, in dem die NPD lediglich in zwei von acht Kommunen Mandate erringen konnte. Hervor stechen hier wiederum der Landkreis Leipzig, in dem die NPD in elf von achtzehn Städten und Gemeinden erfolgreich war, der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, in dem die NPD in elf von vierzehn Kommunen, in denen sie antrat Mandate erzielte sowie der Landkreis Meißen, in dem die NPD in allen sieben Städten und Gemeinden, in denen sie antrat auch erfolgreich war. Weiterhin waren die Landkreise Görlitz und Erzgebirge für die NPD ergiebig. In den drei kreisfreien Städten Chemnitz, Dresden und Leipzig konnte die NPD zwar Mandate erringen, als Erfolg kann sie dies jedoch nur bedingt verbuchen. In keinem der großstädtischen Kommunalparlamente erreichte sie Fraktionsstatus. Gemessen an dem Kraftaufwand, den die NPD vor allem in diese Städte investierte, ist dies ein allenfalls mäßiges Ergebnis.

Ein Vergleich der Kommunalwahlergebnisse zeigt dennoch einen eindeutig positiven Trend der NPD in den letzten zehn Jahren. Erreichte die NPD 1999 sachsenweit lediglich 0,3% und acht Mandate, steigerte sie Ergebnis 2004 auf 0,5% und 26 Mandate bis sie schließlich 2009 die bereits genannten 2,3% und 74 Mandate erzielte. Gegenüber 2004 ist dies also fast eine Verdreifachung der Mandate. War die NPD 1999 lediglich in sieben Kommunen vertreten, stieg der Wert 2004 bereits auf vierzehn um 2009 auf 63 zu steigen. Gegenüber 2004 hat die NPD diese Zahl also vervierfacht.

Wichtig ist der Blick auf die Kommunen, in denen die NPD 2009 nicht das erste Mal antrat:

  • Von den 103 Kommunen, in denen die NPD 2009 eigene Listen einreichte, trat sie in 24, das entspricht etwa 23%, zum wiederholten Male an. In diesen 24 Kommunen errang sie jedoch 30, d. h. rund 40%, ihrer 74 Mandate. In insgesamt zehn Städten und Gemeinden errang die NPD 2009 mehr als ein Mandat, darunter befinden sich sieben, in denen die NPD zuvor schon antrat.
  • Wie bereits dargestellt, blieb die NPD 2009 in 56 Kommunen unterhalb von 5%. Darunter befanden sich jedoch lediglich neun Kommunen, das entspricht etwa 16% der 56 Kommunen, in denen die NPD bereits zuvor bei Stadt- und Gemeinderatswahlen antrat. Unter den 47 Kommunen hingegen, deren Wahlergebnisse über 5% lagen, befinden sich fünfzehn, in denen die NPD bereits mehrfach antrat, das entspricht einem Anteil von knapp 32%.
  • erechnet man das landesweite Wahlergebnis nur für die 103 Kommunen, in denen die NPD auch antrat, erzielte sie 4,0%. Wirft man einen Blick auf die 24 Kommunen, in denen die NPD wiederholt antrat, erreichte sie hier im Schnitt 4,4%. In den 15 Kommunen, in denen die NPD mindestens zwei Mal hintereinander antrat – also entweder 1999, 2004 und 2009 oder 2004 und 2009 – steigt das durchschnittliche NPD-Ergebnis sogar auf 5,9%.

Deutlich wird somit, dass die NPD dort überdurchschnittlich erfolgreich abschnitt, wo sie zum wiederholten Male antrat. Der Glaube, die NPD entzaubere sich selbst, wenn sie in Parlamenten sitzt, kann damit auf kommunaler Ebene als widerlegt gelten. Weiterhin zeigt der Vergleich der Kommunalwahlen, dass der NPD vor allem gegenüber dem Jahr 2004 ein quantitativer Sprung geglückt ist. Dieser machte sich auch schon bei den Kreistagswahlen 2008 bemerkbar. Eine wesentliche Ursache hierfür dürfte der Landtagseinzug der NPD im Herbst 2004 sein, da die NPD seitdem in der Lage war, systematisch Strukturaufbau zu betreiben und diesen auch durch hauptamtliches Personal zu unterfüttern.

Die Landtagswahl 2009

Die gewachsenen Strukturen und verbesserten Möglichkeiten der NPD machten sich auch bei der Aufstellung der Direktkandidaten für die Landtagswahl 2009 bemerkbar. Konnte die NPD 2004 lediglich 32 der 60 Wahlkreise mit eigenen Kandidaten besetzen, gelang ihr dies 2004 in 58 Wahlkreisen. Damit trat die NPD zur Landtagswahl 2009 nahezu flächendeckend mit eigenen Kandidaten an. Lediglich ein Wahlkreis blieb unbesetzt, im Wahlkreis 55 – Hoyerswerda verzichtete die NPD zudem zu Gunsten von Henry Nitzsche auf einen eigenen Kandidaten. Nitzsche, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der CDU, war wegen diverser rassistischer Äußerungen aus der CDU ausgeschlossen worden und betreibt seitdem den Aufbau des vor allem im Landkreis Bautzen aktiven „Bündnis Arbeit, Familie, Vaterland“.

Bei der Landtagswahl am 30. August 2009 erreichte die NPD mit etwas mehr als 100.000 Stimmen ein Ergebnis von 5,6% und zog mit 8 Abgeordneten in den Sächsischen Landtag ein. Zum ersten Mal überhaupt in ihrer Parteigeschichte gelang ihr damit der Wiedereinzug in ein Landesparlament. In 23 der 60 Wahlkreise blieb die NPD dabei unter 5 Prozent, in 36 Wahlkreisen lagen die Ergebnisse zwischen 5 und unter 10 Prozent und in einem Wahlkreis erreichte die NPD ein Ergebnis von mehr als 10 Prozent (Wahlkreis 50 Sächsische Schweiz 2). Mit 2,8% erzielte sie ihr schlechtestes Ergebnis im Wahlkreis 12 – Chemnitz 1. Unter den 23 Wahlkreisen mit unter 5% NPD-Stimmanteil befanden sich 15 Wahlkreise der drei kreisfreien Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig und 8 Wahlkreise aus den Landkreisen. Unter den 37 Wahlkreisen mit über 5% NPD-Stimmanteil befanden sich lediglich zwei Wahlkreise von kreisfreien Städten, jeweils einer in Dresden und Leipzig. Die übrigen 35 Wahlkreise gehören zu den verschiedenen Landkreisen.

Diese Zahlen zeigen, dass die NPD ihren Landtagseinzug vor allem den Flächenlandkreisen zu verdanken hat. Obwohl die drei kreisfreien Städte ca. 28% der sächsischen Wahlkreise stellen, schaffte die NPD lediglich in rund 5% dieser Wahlkreise ein Wahlergebnis von über 5%. Berechnet man das NPD-Ergebnis nur für die zehn Landkreise kam die NPD hier auf 6,4%, das Ergebnis in den drei großen Städten lag bei 3,9%. Damit steuerten die Landkreise rund 4,4% und die Städte ca. 1,2% des sächsischen NPD-Wahlergebnisses von 5,6% bei.

Vergleicht man die Landtagswahlergebnisse der NPD von 2004 und 2009 fallen sofort deutliche Verluste ins Auge. Die Zahl der Menschen, die NPD wählten, nahm gegenüber 2004 um rund 90.000 ab. Prozentual sank die NPD von 9,2% um 3,6% auf nunmehr 5,6% ab. Die Zahl der Wahlkreise, in denen die NPD 10 Prozent und mehr der Stimmen holte, sank von 24 auf einen, die Zahl der Wahlkreise, in denen die NPD zwischen 5 und 10 Prozent erzielte stieg von 32 auf 36 und die Zahl der Wahlkreise, in denen die NPD unter 5 Prozent blieb stieg von 4 auf 23. Etwas überproportional fielen dabei die Verluste der NPD in den Landkreisen aus. Damit verlor die NPD sachsenweit betrachtet gegenüber 2004 rund 47% ihrer Wählerinnen und Wähler. In den Landkreisen waren es rund 48% und in den drei kreisfreien Städten rund 43%. Anders als 2004 war die NPD 2009 auf die Stimmen aus den drei kreisfreien Städten angewiesen, um in den Landtag einzuziehen. 2004 hätte die NPD ohne die Stimmen aus den drei kreisfreien Städten 7,4% erzielt, 2009 waren dies wie oben dargestellt, lediglich 4,4%. Bemerkenswert ist darüber hinaus ein weiterer Aspekt: Wäre die Wahlbeteiligung 2009 so hoch gewesen wie 2004, wäre die NPD mit ihren rund 100.000 Stimmen und 4,8% nicht wieder im Landtag vertreten gewesen.

Die Bundestagswahl 2009

Auch bei der Bundestagswahl 2009 war die NPD in Sachsen flächendeckend in allen 16 Wahlkreisen mit eigenen Direktkandidaten vertreten. Dies war ihr jedoch auch schon zur Bundestagswahl 2005 gelungen. Erreichte die NPD bundesweit 1,5% der Wählerstimmen, schnitt die sächsische NPD mit 4,0% und ca. 90.000 Wählerinnen und Wählern deutlich besser ab. Gegenüber 2005 verlor die sächsische NPD dabei rund 37.000 Stimmen und 0,8 Prozentpunkte. Während sie in Dresden und Leipzig ihr Ergebnis von 2005 halten konnte, verlor sie insbesondere in den Flächenwahlkreisen. Auch bei der Bundestagswahl 2009 hat die NPD vor allem in den Flächenwahlkreisen mit 4,7% überdurchschnittlich stark abgeschnitten. Das Wahlverhalten bei den Landtags- und Bundestagswahlen ähnelt sich damit stark.

Fazit

Die skizzierten Wahlergebnisse lassen mehrere Schlussfolgerungen zu, die ich hier thesenartig wiedergeben möchte.

  1. Die NPD hat sich endgültig zu einer Regionalpartei entwickelt. Anders als die Bundes-NPD, die in Machtkämpfe und Finanzskandale verstrickt vor sich hin schwächelt, ist die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor ein politischer Faktor. In Sachsen hat sie sich durch den erneuten Landtagseinzug trotz der erheblichen Verluste gefestigt. Ob ihr dies in Mecklenburg-Vorpommern gelingt, wird die Landtagswahl 2011 zeigen.
  2. Dennoch hat die NPD bei der Kommunal- und bei der Landtagswahl 2009 zwiespältige Ergebnisse eingefahren. Zwar hat sie ihr wichtigstes Ziel, den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag geschafft, und auch die Präsenz in der Fläche konnte durch die Kommunalwahlen stark ausgebaut werden. Jedoch ist sie deutlich hinter den selbst gesteckten Zielen zurück geblieben. Weder konnten bei der Kommunalwahl wie angestrebt über 100 neue Mandate errungen werden, noch erreichte die NPD bei der Landtagswahl das gewünschte zweistellige Ergebnis.
  3. Die NPD hat den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren. Nach der Kommunalwahl 2004 und der kurz darauf stattfindenden Landtagswahl konnte die NPD aufgrund der Wahlergebnisse den Mythos pflegen, dass sie überall, wo sie antritt, auch erfolgreich ist. Dieser Mythos wurde durch die Kommunalwahl 2009 gebrochen, da die NPD nur in 60% der Kommunen, in denen sie antrat, auch Mandate errang.
  4. Die NPD hat eine ideologisch gefestigte Stammwählerschaft ausgebildet. Diese bewegt sich in einem Rahmen von ca. 4 und 6 Prozent der sächsischen Wählerinnen und Wähler. Dafür spricht, dass sich die NPD bei den Kommunalwahlen in vielen Gemeinden, in denen sie nicht zum ersten Mal antrat, zwischen 5 und 8 Prozent stabilisiert hat. Auch das Landtagswahlergebnis muss in dieser Richtung interpretiert werden. Trotz zahlreicher Skandale auf Landesebene hat sich die NPD nicht wie von vielen Menschen angenommen selbst entzaubert. Bei der Bundestagswahl haben immer noch rund 90.000 der sächsischen Wählerinnen und Wähler – und damit nur 10.000 weniger als bei der Landtagswahl – die NPD gewählt, obwohl von vornherein klar war, dass ihr ein Bundestagseinzug nicht gelingen wird. Eine Nachwahlbefragung von infratest dimap ergab zudem, dass von den 90.000 Wählerinnen und Wählern, die sie bei der Landtagswahl 2009 gegenüber 2004 verloren hat, rund 39.000 ins Lager der Nichtwähler gewechselt sind. Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine Personengruppe, die sich bei Wahlen entweder von einer extrem rechten Partei mobilisieren lässt, oder zu Hause bleibt.
  5. Weitere Wahlerfolge der NPD in Sachsen hängen von den politischen Rahmenbedingungen ab. Zwar hat die sächsische NPD wie oben geschildert eine Stammwählerschaft ausgebildet. Diese reicht jedoch nicht aus, um dauerhaft Wahlerfolge zu garantieren. Gelang der NPD 2004 der Landtagseinzug aus eigener Kraft, hat sie diesen 2009 vor allem der deutlich gesunkenen Wahlbeteiligung zu verdanken. Um einen Landtagseinzug aus eigener Kraft zu gewährleisten, ist die NPD nach wie vor auf die Mobilisierung weiterer Wählerinnen und Wähler angewiesen, die zwar über ideologische Schnittmengen zur NPD verfügen, aber nicht als gefestigte Wählerschaft betrachtet werden können. Dafür benötigt die NPD Themen, die sich populistisch zu Kampagnen ausbauen lassen. 2004 gelang ihr dies mit dem Thema Hartz IV. 2009 hat sie, trotz Wirtschaftskrise, keinen solchen Ansatzpunkt gefunden.
  6. Die demokratischen Parteien sind stärker auch in den Kommunen gefordert. Die deutlich gestiegene Zahl der Kommunen mit Parlamentariern der NPD stellt auch die demokratischen Parteien vor Ort in stärkerem Maße vor die Aufgabe, sich mit der NPD auseinander zu setzen. Die NPD hat sich durch den erneuten Landtagseinzug weitere fünf Jahre Zeit erkauft, um ihre Strukturen auszubauen. Dem kann wirkungsvoll nur vor Ort begegnet werden. Wesentliche Standards dabei sollten sein, dass keinerlei gemeinsame Sache mit der NPD gemacht wird. Auch vermeintliche Sachanträge der NPD sind abzulehnen, da es zur Strategie der NPD gehört, sich als normale Partei neben anderen zu inszenieren. Die NPD verfügt jedoch über ein grundlegend anderes Wertesystem als die demokratischen Parteien. Ein Fehler ist es jedoch, aufgrund der Präsenz der NPD demokratische Standards abzusenken und z. B. per Geschäftsordnung die Ausschussgrößen oder Fraktionsstärken zu verändern.

 

  1. Für beide Wahlen habe ich ausführliche Analysen angefertigt. Die Auswertung der Kreistagswahlen 2008 findet sich in dem Sammelband „Die NPD im Sächsischen Landtag. Analysen und Hintergründe 2008“ (siehe Literaturliste am Ende der Broschüre). Der Text „Die NPD in Sachsen nach den Stadt- und Gemeinderatswahlen 2009“ ist verfügbar unter
    http://www.nazis-nein-danke.de/index.php?option=com_content&view=article&id=85:npd-schlechte-aussichten-fuer-die-landtagswahl&catid=34:startseite; Anmerkung 08.12.2014: Die angegebene Webseite existiert nicht mehr. Der Text kann nun auf dieser Webseite unter diesem Link abgerufen werden. []
  2. Da in Sachsen Wählerinnen und Wähler bei Kommunalwahlen bis zu drei Stimmen haben, die einem Kandidaten, verschiedenen Kandidaten einer Partei oder auch Kandidaten verschiedener Parteien gegeben werden können (sog. Kumulieren und Panaschieren), ist die Stimmenzahl nicht automatisch mit einer entsprechenden Zahl von Wählerinnen und Wählern gleich zu setzen. []

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