Das gestrige Wahlergebnis stellt eine Zäsur dar. Erstmals ist es mit der AfD mit ihrem 12,6%-Ergebnis einer Partei der extremen Rechten gelungen, das in der Bevölkerung vorhandene rechtsextreme Einstellungspotential nahezu vollständig in Wählerstimmen zu übersetzen. Und es komme jetzt bitte niemand mit „Protestwahl“ und ähnlichem Unfug. Niemand wählt eine so offenkundig demokratieverachtende Partei wie die AfD, wenn es nicht ein Mindestmaß an ideologischer Übereinstimmung (sei diese intellektuell untersetzt oder eher gefühlter Natur) gibt. Die nachfolgenden Ausführungen sind lediglich als erste Gedankengänge zu verstehen und nicht als abgeschlossene Analyse. Und: Nein, ich habe zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Antworten auf die aus den Ausführungen resultierenden Fragen.
Das sächsische Drama
Wie so oft verstellt ein gemitteltes Ergebnis den Blick auf die wirklichen Dramen. Sachsen ist seit jeher eine Hochburg des Rechtsextremismus trotzdem stellt das Wahlergebnis insbesondere hier einen tiefen Einschnitt dar. Mit 27% ist die AfD stärkste Partei geworden, knapp vor der mehr als 25 Jahre alles dominierenden CDU, die bei der gestrigen Wahl 15,7% gegenüber der Bundestagswahl 2013 verlor. Drei Direktmandate in den Wahlkreisen Bautzen, Görlitz und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge musste die CDU an die AfD abgeben. Ostsachsen ist an die AfD gefallen.
Man muss sich das immer wieder vor Augen halten: Eine demokratieverachtende Partei wird stärkste Kraft bei einer Wahl. Und das bei einer sächsischen CDU, die im bundesweiten Vergleich, deutlich weiter rechts steht als andere Landesverbände. Der Versuch, die AfD zu bekämpfen, indem man selbst sich möglichst weit rechts positioniert, muss als gescheitert betrachtet werden.
Der mit viel Aufwand von der sächsischen CDU gepflegte Sachsenstolz darf ist eben kein Abwehrmechanismus gegen antidemokratisches Gedankengut, sondern vielmehr ein Einfallstor. Das in den letzten Jahren geschaffene politische Klima in Sachsen hat sich als fruchtbarer Boden für die AfD erwiesen. Den Überbietungswettkampf, wer die rechteren Positionen vertritt, verliert eine demokratische Partei nicht nur, sie beschädigt damit auch die Demokratie insgesamt. Die Menschen wählen dann halt doch das Original (in dem Fall die AfD), weil dieses in einem solchen Wettstreit jederzeit in der Lage ist, die Tonlage noch weiter zu verschärfen.
Ich bin sehr gespannt, ob die sächsische CDU in der Lage sein wird, diese Schlussfolgerungen zu ziehen, oder ob sie mit einem noch härteren Rechtsruck versucht, das Problem klein zu kriegen. Wie die Diskussion in der CDU ausgeht ist meines Erachtens offen. Ich nehme aber positiv wahr, dass sich die ersten Stimmen in der sächsischen Union öffentlich bemerkbar machen, die genau diese kritische Diskussion wollen. Ich hoffe, es werden diese Stimmen sein, die sich am Ende durchsetzen.
Frauke Petry
Auch wenn ich zu denen gehöre, die es prognostiziert haben, dass die (Noch)Parteivorsitzende Frauke Petry sich nach der Wahl von der AfD absetzen wird, bleibt es spannend, wie groß der Spaltungsprozess sein wird. Bislang hat nur Frauke Petry angekündigt, dass sie nicht der Bundestagsfraktion der AfD angehören will. Damit hat sie offenkundig ihre Vorstandskollegen kalt erwischt.
Für Petry bleiben jetzt nicht mehr viele Optionen. Ihre Zeit in der AfD ist zu Ende. Tritt sie nicht selbst aus, wird es meiner Einschätzung nach ein Parteiausschlussverfahren geben. Und dieses wird nicht bis in alle Ewigkeit verschleppt werden, wie das versuchte Verfahren gegen Björn Höcke (das jetzt selbstverständlich nicht mehr weitergeführt werden wird). Andere Fraktionen stehen ihr nicht offen, sie werden sie nicht aufnehmen und falls doch, wäre eine erneute aussichtsreiche Aufstellung für ein Bundestagsmandat äußerst unwahrscheinlich.
Auch außerhalb des parlamentarischen Raums ist Frauke Petry verbrannt. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sie einen gut dotierten Posten in der freien Wirtschaft erhält. Als Unternehmerin ist Frauke Petry gescheitert. Konsequenz: Sie muss ihre Zeit im Parlament möglichst weit ausdehnen, um sich selbst finanziell abzusichern. Dies wird jedoch nur mit einer neu geschaffenen und auf sie zugeschnittenen politischen Formation überhaupt vorstellbar. Natürlich gibt es dafür keine Erfolgsgarantie, aber mangels Alternativen wird sie meiner Meinung nach diesen Weg gehen. Dass sich die Landtagsfraktion der AfD in Mecklenburg-Vorpommern nur einen Tag nach der Bundestagswahl spaltet, könnten erste Signale für diesen Prozess sein. Die nächsten Tage und Woche versprechen spannend zu werden.
Nun wird auch eine solche politische Formation keine gemäßigte politische Kraft sein, sondern genauso demokratiefeindlich, wie die jetzige AfD auch. Der Streit innerhalb der AfD spielt sich nicht zwischen gemäßigten und radikalen Kräften ab, sondern dreht sich im Kern darum, ob die demokratieverachtenden Positionen in Watte verpackt werden sollen (Frauke Petry und Co.) oder ob diese klar, offen und möglichst radikal vorgebracht werden (restliche AfD).
So zu tun, als gäbe es einen gemäßigten AfD-Flügel und einen radikalen AfD-Flügel hieße, Scheiße nach Geruch zu sortieren.1
AfD
Spitzenkandidat Alexander Gauland hat unmittelbar nach Schließen der Wahllokale in seinem ersten Statement klargemacht, worum es ihm geht: „Und liebe Freunde, da wir nun ja offensichtlich drittstärkste Partei sind, kann sich diese Bundesregierung, die gebildet wird – wie immer sie aussieht – sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen. Und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“
Das ist eine offene Kampfansage. Vordergründig erweckt er den Anschein, sich auf die kommende parlamentarische Arbeit der AfD zu beziehen. Man braucht allerdings wenig Phantasie, um zu dem Schluss zu kommen, dass er damit auch einen generellen Anspruch erhebt und ein bewusstes politisches Signal an die Anhängerschaft der AfD gesandt hat. Wir müssen uns darauf einrichten, dass die Übergriffe auf Vertreter_innen des parlamentarischen Systems, aber auch auf alle anderen Menschen, die nicht ins Weltbild der AfD passen, ansteigen werden. Gauland hat mit seinem Ausspruch dezidiert völkisches Agenda-Setting betrieben.
Wer sich bisher der Erkenntnis verweigert hat, dass die AfD eine antidemokratische Kraft ist, wird sich jetzt schnell eines Besseren besinnen müssen. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder haben bisher im Umgang mit der AfD eklatant versagt. Spätestens seit gestern gehört die AfD flächendeckend unter Beobachtung gestellt.
- Der Ausspruch geht auf den ehemaligen niedersächsischen Innenminister Gerhard Glogowski zurück, der mit Blick auf rechtsextreme Parteien sagte: „NPD, DVU, Republikaner unterscheide ich nicht. Dies ist für mich alles rechtsradikaler Sumpf. Das hieße: Scheiße nach Geruch zu sortieren.“ [↩]
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