Screenshot der Homepage des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz

Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) läuft zu Hochform auf

Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) stand in den letzten Jahren häufig in der Kritik. Vor allem nach der Selbstenttarnung des als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bezeichneten Terrornetzwerkes wurde gefordert, dass die Analysefähigkeit des LfV verbessert werden müsse. So zu lesen z. B. im vorläufigen Abschlussbericht der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen Landtags zum NSU auf Seite 12. Und nach herrschender Meinung ist in Sachsen nach dem NSU-Desaster auch viel getan worden, um der mangelnden Analysefähigkeit des LfV entgegen zu wirken.

Vorbei sind also demnach die Zeiten, in denen vor der Nase des LfV drei Rechtsterroristen Sachsen über 14 Jahre hinweg als Ruhe- und Rückzugsraum nutzen konnten, um zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Bank- bzw. Raubüberfälle vorzubereiten und durchzuführen.

Vorbei sind also demnach auch die Zeiten, in denen das LfV eine zentrale Struktur der extremen Rechten als quasi unpolitische Konzertveranstaltungsagentur einstuft. So geschehen in Beantwortung einer Großen Anfrage der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag durch die sächsische Staatsregierung im April 2013. Wörtlich heißt es dort:

„Blood & Honour hat sich nicht als politische Organisation angesehen, sondern vielmehr als Multiplikator nationalsozialistischer Ideologie durch das Mittel Musik. Für die Führungsmitglieder von Blood & Honour-Sachsen war die Ideologie zweitrangig, deshalb wurden keine politischen Treffen beabsichtigt bzw. durchgeführt […] Generell sah Blood & Honour in der Musik das ideale Mittel für den Transport der nationalsozialistischen Ideologie.“ (Drucksache 5/11189-2 vom 11.04.2013, S. 7).

Auch wenn formal die Staatsregierung die Beantworterin der Großen Anfrage ist, so darf man getrost davon ausgehen, dass die Antworten vom LfV zugearbeitet wurden.

Wie gesagt, all das ist Vergangenheit. Heutzutage weiß das sächsische LfV mit fundierten Meldungen aufzuwarten. Erst kürzlich wusste das LfV zu berichten, dass Rassisten (LfV-Sprech: Rechtsextremisten) rassistische Veranstaltungen (LfV-Sprech: asylkritische Veranstaltungen) besuchen. Und dieser Tage hat das LfV doch tatsächlich herausgefunden, dass Nazis gewalttätig sind. Wer hätte das gedacht? Und das alles findet das LfV mit lediglich 187 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Jahresetat von 13,744 Millionen Euro heraus, wie sich im Einzelplan 03 im Doppelhaushalt für die Jahre 2015 und 2016 auf den Seiten 311 und 316 nachlesen lässt. Übrigens ist der Etat des LfV seit dem Jahr 2011 (dem Jahr des Auffliegens des NSU), um 1,821 Millionen Euro gestiegen (Doppelhaushalt 2011/2012, Einzelplan 03 Seite 378).

Okay, zugegeben, die letzte LfV-Wortäußerung habe ich polemisch zugespitzt, denn eigentlich heißt es, in der von mir verlinkten mdr-Meldung, der Verfassungsschutz sehe eine neue Dimension der Gewalt. Warum? Weil in Heidenau 30 Polizeibeamte von Neonazis verletzt wurden.

Was genau daran jetzt eine neue Dimension sein soll, erschließt sich mir nicht so richtig. Es ist ja nicht so, dass die neonazistische Szene in den vergangenen 25 Jahren durch ihren pazifistischen Ansatz aufgefallen wäre. Die Skinheads Sächsische Schweiz, der Sturm 34 aus Mittweida, die Terror-Crew Muldental und viele anderen haben sich jedenfalls weder zum Unterwasserschach noch zum Hallenhalma verabredet.

Und irgendwie gleichen sich die Meldungen. Als im Oktober 2014 rund 3.000 überwiegend Nazi-Hools unter der Bezeichnung HoGeSa in Köln randalierten und massiv die Polizei angriffen, hieß es auch, dies sei eine „neue Qualität der Gewalt“. Übrigens war damals auch die Überraschung groß, dass doch tatsächlich Schnittmengen existieren zwischen Hooligan- und Nazi-Szene. Auch das wurde zuvor gerne übersehen.

Aber nochmal die Frage: Warum ist ein sächsischer LfV-Präsident davon überrascht, dass Nazis zu Gewalt auch gegen Polizeibeamte greifen? Mal abgesehen davon, dass ein Todesopfer, das den Morden des NSU zugerechnet wird, Polizeibeamtin war, braucht es nicht viel Phantasie um zu wissen, dass eine Szene, die von der tiefen Verachtung gegenüber der Demokratie und ihrer Repräsentaten geprägt ist, durchaus auch zu Gewalt gegenüber diesen greifen könnte.

Aber nun gut, lassen wir mal Fünfe gerade sein und freuen uns lieber auf die nächsten bahnbrechenden Erkenntnisse des LfV. Heiße Kandidaten sind: „Nazis nutzen das Internet“, oder auch am 20. April „Nazis feiern gern“. Bei letzterer Meldung kommt dann vermutlich noch der Zusatz hinzu, das LfV sei noch auf der Suche nach der Ursache, warum gerade an diesem Tag die Feierlaune von Nazis steigt.

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