Presseschau (subjektiv) zu PEGIDA

Weiterhin beschäftigen die Anti-Asyl-Proteste rund um PEGIDA und co. die Presselandschaft. Mittlerweile ist das Thema nicht mehr nur bundesweit im Fokus der Aufmerksamkeit, sondern auch einige internationale Medien schildern ihre Eindrücke.



Ich habe mich heute dazu entschieden, eine kurze (natürlich subjektive) Presseschau anzufertigen von aus meiner Sicht lesenswerten Artikeln, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurden.

Presseschau I:

Ich beginne mit Michael Bittner „Der Sieg der PEGIDA„. Bittner sieht den Erfolg von PEGIDA in Dresden selbst begründet. Während anderswo die Proteste überschaubar bleiben und zum Teil von massiven Gegenprotesten begleitet werden, ist Dresden die einzige Stadt, in der die Proteste trotz eines kriminellen Anführers derart viele Menschen anlocken. Bittners nüchternes Fazit:

„Warum nun aber gerade Dresden? Dresden ist sicherlich die konservativste und provinziellste aller deutschen Großstädte. Aber das allein reicht als Erklärung nicht. Das besondere geistige Klima dieser Stadt ist geprägt von einem Gefühl: Wir sind die Opfer. Das rituelle Gedenken an die Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg, wie es vor und nach der Wende von den Staatsparteien SED und CDU forciert wurde, hat zu diesem kollektiven Selbstmitleid beigetragen. Tatsächlich geht es den Dresdnern leidlich gut, verglichen mit anderen Städten in Deutschland – von den Flüchtlingen und Krisengebieten in aller Welt ganz zu schweigen. Wer aber den ebenso hochmütigen wie weinerlichen Kult um “Unserschönesdresden” nicht bedingungslos mitmacht, der wird zum Außenseiter.“

Presseschau II:

Auch der Historiker Götz Aly verortet in einer Kolumne in der Berliner Zeitung vom 15.12.2014 die Ursache in Dresden selbst und greift dafür weit in die Geschichte zurück. Die Proteste in Dresden sind demnach Ausdruck einer speziellen politischen Kultur, in der ein selbstherrlicher Lokaldünkel massive Fremdenangst befördert. Als Ausflug in die Geschichte verweist er auf die außerordentlich strengen antijüdischen Gesetze, die in Sachsen im 19. Jahrhundert galten, als anderswo Emanzipationsprozesse bereits im Gange waren.

„Kaum lockerte sich die öffentliche Ordnung, schritten Dresdens Heimatschützer zur Tat. Als das in Paris angefachte Feuer der Freiheit im Februar 1848 auch ihre Stadt erreichte, verschafften sie ihrer Volkswut „Luft“, indem „auf Anregung der verehrlichen Schneiderzunft ein Pöbelhaufen den Laden eines jüdischen Kleinhändlers stürmte, der durch seine Konfektionsware das legitime Gewerbe gegen sich erzürnt hatte“. Zu denjenigen, die 1848/49 auf den Dresdner Barrikaden standen, zählten die miteinander befreundeten notorischen Antisemiten Michail Bakunin und Richard Wagner.“

Presseschau III

Auch Michael Lühmann, Historiker und Politikwissenschaftler, sieht eine zentrale Ursache für den Erfolg von PEGIDA in der sächsischen politischen Kultur. In dem Gastbeitrag Pegida passt nach Sachsen für Zeit online schreibt er:

„Pegida steht in einer viel traurigeren, sächsischen Tradition. Nirgendwo in Deutschland ist die Ablehnung des Anderen tiefer in Politik und Kultur verankert als in diesem Bundesland. Sei es fremd, sei es links, sei es irgendwie modern. Da kann die Ruine der Frauenkirche noch so sehr mahnen, wozu die „christlich-abendländische Tradition“, auf die sich Pegida beruft, auch fähig gewesen ist. Mit ultrakonservativen, ins extrem Rechte reichenden Parolen wird in Sachsen schon seit den neunziger Jahren Politik gemacht. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, also die feindselige Einstellung gegenüber Menschen, die religiös, sozial, ethnisch, lebensstilistisch von dem abweichen, was man selbst für sich zur Norm erklärt, ist in Sachsen eine normale und relevante Position in der politischen Auseinandersetzung. […]

Im Gegenzug gelten vielen im Land diejenigen, die sich gegen die Rechten und ihre Aktionen stellen, gleich als „linksextrem“ und totalitär. […]

In Sachsen feiert diese unterkomplexe Spielart der Totalitarismustheorie der Gleichsetzung von links und rechts fröhliche Urstände. Die Speerspitzen dieses wissenschaftlich höchst umstrittenen Denkens, Uwe Backes und Eckhard Jesse, lehren bzw. lehrten am Dresdener Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung und an der TU Chemnitz. Mitten in der rechten politischen Kultur Sachsens haben sie sich der „Linksextremismusforschung“ verschrieben. “

Presseschau IV

Michel Friedmann wählt zwar mit dem provokativen Titel Sie marschieren im Tal der Ahnungslosen Dresden als Ausgangspunkt für seinen Kommentar in der BZ, nimmt aber die bundesweite und grundsätzliche Dimension des Demonstrationsgeschehens in den Blick.

„Auf das Argument dieser „Patrioten“, man müsse in der Demokratie die Wahrheit sagen dürfen und sei doch nicht rechtsradikal, wenn man die Wahrheit sage, gibt es nur eine Antwort: Rassismus, Hetze gegen Menschen, Populismus auf Kosten von Minderheiten und Schwachen haben mit Demokratie nicht das Geringste zu tun! Sie sind das gelebte Gegenteil des demokratischen Anspruches der Bundesrepublik, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Die „Pegida“ tastet die Würde der Menschen an, und damit tastet sie das Grundgesetz, die Demokratie und uns alle an.“

Presseschau V

Spiegel online versucht herauszufinden wofür oder wogegen die Demonstranten eigentlich auf die Straße gehen. Zitate von Pegida-Demonstranten: Die wirre Welt der Wohlstandsbürger ist der Artikel überschrieben, der die krude Mischung an Thesen und Themen, die sich allmontaglich in Dresden findet, veranschaulicht.

Presseschau VI

Auch Uta Deckow versucht sich in ihrem sehr persönlich geschriebenen Kommentar für den mdr der Gedankenwelt der PEGIDA-Demonstranten anzunähern, aber auch dem zum Teil abstrusen Umgang von Politikern mit dem Thema. So viel Wirrniss… ist der Kommentar überschrieben.

„Ich sitze vor einem leeren Computerbildschirm und ich bin ratlos. Viele Kommentare habe ich schon geschrieben. Nie fehlten mir so die Worte wie heute. Wie soll man so viel Wirrnis bloß kommentieren? […]

Richtig bizarr wird die Lektüre, wenn mitten in diesem Gefauche über die Politik, die nie zuhört, Politiker toben. Mitglieder des Dresdner Stadtrates beispielsweise von den Freien Bürgern oder der FDP. Sie verteidigen Pegida und erklären, die Politik müsse den Menschen endlich zuhören. Als wären Stadträte keine Politiker. Sie teilen und liken rechte Seiten oder die Seiten von Verschwörungstheoretikern und schimpfen über die Medien als Lügenpresse, so wie es eben üblich ist bei Pegida. […]

Wenn die Medien die kriminelle Vergangenheit von Lutz Bachmann aufdecken folgt ein Aufschrei: Siehe da, die linken Hetzblätter! Das ist das übliche Muster und dann werden Vergleiche herbeigezogen, die so hanebüchen sind, dass es weh tut. DDR-Vergleiche. Doch offenbar sind die meisten derer, die jetzt auf der Straße sind, auch 1989 erst auf die Straße gegangen, als es eben nicht mehr gefährlich war. Sonst wüssten sie, dass den Mutigen, den Ersten damals, der Knast drohte. Pegida dagegen läuft unter dem Schutz der Demonstrationsfreiheit und behauptet dabei, in diesem Land den Mund verboten zu bekommen.“

Presseschau VII

Deniz Yücel von der taz hat sich unter die Demo-Teilnehmer gemischt. Unter der Schlagzeile „Ich geh ooch ma zum Döner“ berichtet er über seine Erlebnisse. Seine sarkastischeZusammenfassung:

„Alles gibt es bei Pegida: Professoren, Polizisten, Hausfrauen – da sind sich die Pegida-Demonstranten einig. Alles außer Nazis.“

Presseschau VIII

Ebenfalls die taz macht auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam: Vernunft hilft nicht gegen Patrioten. Auch die taz zeichnet zur Veranschaulichung historische Parallelen:

Kann man mit Vernunft Pegida etwas anhaben? Da sind angesichts der Irrationalität der Bewegung Zweifel berechtigt. In Deutschland gab es zu Kaisers Zeiten einen „Verein zu Abwehr des Antisemitismus“. Sein honoriges Ziel war es, Antisemiten durch Argumente davon zu überzeugen, dass ihr Glaube nicht den Tatsachen entsprach. Das ging schon damals schief. […]

Es steht zu befürchten, dass für die Muslimhasser Ähnliches gilt. Aber reden schadet immerhin nichts, heißt es. Das stimmt – aber nur solange daraus nicht folgt, dass man diese Bewegung salonfähig macht. Wirklich furchtbar aber ist es, wenn Demokraten glauben, sie könnten den Irrsinn damit bekämpfen, den Irrsinnigen politisch entgegenzukommen.“

Presseschau IX

Hasnain Kazim schreibt in seinem Kommentar Demonstrativer Irrsinn auf Spiegel online aus Sicht eines Betroffenen der fremdenfeindlichen Proteste. Und er deckt dabei die Scheinheiligkeit des PEGIDA-Protests auf.

„Die Flüchtlinge, die hier ankommen, sind Terror und Krieg entkommen, oft unter Lebensgefahr. Ausgerechnet diesen Menschen wird in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, dass sie nicht willkommen sind. Aus Sorge vor einer vermeintlichen Islamisierung Deutschlands. Den Demonstranten ist offenbar gleichgültig, dass sie gegen die Opfer von Extremisten protestieren – nicht gegen die Extremisten selbst.

Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Pegida-Bewegung überhaupt kein Interesse daran hat, ein einvernehmliches Miteinander zu organisieren. Weder mit denen, die schon lange hier leben oder hier geboren sind, noch mit denen, die Asyl suchen. Unter dem Deckmantel der demokratischen Meinungsäußerung werden Menschen ausgegrenzt und zu Sündenböcken gemacht. Christliche Werte sollen verteidigt werden, absurderweise unter Aufgabe des Prinzips der Nächstenliebe.“

Presseschau X:

Nico Fried von Süddeutsche.de ist in seinem bereits am 15.12.2014 erschienenen Kommentar Eine Absolution des Mitläufertums ist unangebracht irritiert über das Verständnis, das einige Politiker gegenüber den Demonstranten äußern.

„Eine Absolution des Mitläufertums ist auch unangebracht, weil sie die Sorgen anderer Bürger entwertet – zum Beispiel die Sorgen ehrenamtlicher Helfer, die sich darum bemühen, dass Flüchtlinge hier gut aufgenommen werden, oder die Sorgen von Lehrern und Eltern, die dazu beitragen, dass syrische Kinder, die Vater und Mutter verloren haben, in deutschen Schulen etwas lernen, wenn sie schon sonst nichts mehr haben. Eine Politik, die konkrete Hilfe für selbstverständlich hält, diffuse Ängste aber für etwas, worum man sich kümmern muss, macht es Pegida zu leicht.“

Presseschau XI:

Längst ist PEGIDA nicht mehr nur Gegenstand der bundesrepublikanischen Berichterstattung. Spiegel online hat die Berichterstattung einiger internationaler Medien in dem Artikel Ausländische Medien über Pegida: „Im Tal der Ahnungslosen“ zusammengefasst. Hier wird deutlich, dass mit einer gewissen Besorgnis nach Deutschland geschaut wird.

Presseschau XII:

Trotz des ernsten Themas darf man den Humor natürlich nicht verlieren. Deshalb zum Abschluss noch ein Beitrag des Online-Satire-Magazins Der Postillon. Dieser macht in dem Artikel Versehentlich mitmarschierender Moslem steckt 52 PEGIDA-Demonstranten mit Islam an,auf die Gefahren aufmerksam, denen die Demonstranten ausgesetzt sind. Deshalb der Expertenratschlag zum Schluss:

„Die Behörden empfehlen jedem, der Angst vor der Islamisierung hat, sich in den nächsten Wochen von großen Menschenansammlungen fernzuhalten.“

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