Als ich vor zwei Wochen meine neue Homepage entwarf und schließlich den Blog online stellte, wollte ich vor allem eine Möglichkeit haben, mich zu Themen zu äußern, die mir im Kopf herumschwirren, die aktuell sind, die mich beschäftigen.
Beispielsweise hatte ich vor, einen Verriss über diesen unglaublich schlechten dritten Teil von Peter Jacksons Hobbit-Verfilmung zu schreiben (Arbeitstitel für den Blog-Beitrag: Werwürmer und Kampfschweine). Das habe ich nicht geschafft, weil sich für mich PEGIDA in den Vordergrund drängte.
Nur so viel zum Hobbit: Braucht man wirklich nicht sehen. Als Nicht-Hobbit-Kundiger Mensch, wird man ohnehin wenig verstehen und als bekennender Tolkien-Fan schlägt man bei diesem Film, der tatsächlich noch schlechter ist als der zweite Teil, permanent die Hände über dem Kopf zusammen.
Aber zurück zum eigentlichen Thema. Wie gesagt, die bisherige PEGIDA-Lastigkeit meiner Blog-Einträge war nicht geplant und trotzdem führe ich sie seitdem relativ intensiv. Warum ist das so? Ganz einfach, weil mir das, was wir mit PEGIDA gegenwärtig in Dresden erleben, erhebliche Sorgen bereitet.
Möglicherweise hat Anetta Kahane recht, wenn sie darauf Aufmerksam macht, dass PEGIDA die Folge eines Erfolgs ist. Dass Deutschland weltoffener, toleranter und eine Einwanderungsgesellschaft geworden ist und die Dresdner Demonstranten nur einen Rückzugskampf gegen eine offene Gesellschaft führen, den sie nicht gewinnen können.
Aber auch Menschen, die einen Rückzugskampf führen und sich in die Enge gedrängt fühlen, können gefährlich sein. Und: Ich habe natürlich auch die sächsische Brille auf, interpretiere das, was vor sich geht, vor dem Hintergrund meines persönlichen Erlebens.
Das ist rückblickend betrachtet eine ganze Menge, seitdem ich vor rund achteinhalb Jahren von Berlin zunächst ins sächsische Wurzen übersiedelte und seitdem in Sachsen zu Hause bin.
Bei meiner ersten beruflichen Station dem Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. in Wurzen habe ich eine Menge erlebt. Mehrere rechtsmotivierte Übergriffe, meist Sachbeschädigungen, aber auch ganz unmittelbare Bedrohungssituationen. Wie etwa nach dem EM-Finalspiel 2008, als rund 30 Personen die Räumlichkeiten des NDK angriffen, mehrere Besucher schlugen und verletzten.
Ich erinnere mich auch, wie ein Kollege und ich von Wurzen aus, zivilgesellschaftliche Strukturen im Raum Mittweida beraten haben, als es darum ging, ein überparteiliches Bündnis gegen Rechtsextremismus zu gründen. Die Gründungsveranstaltung des „Bündnisses für Menschenwürde gegen Rechtsextremismus im Landkreis Mittweida“ war außerordentlich gut besucht. Allerdings fand sie auch unter Belagerungszuständen statt: Abgesichert durch ein Großaufgebot der Polizei, während zeitgleich eine große Gruppe von Angehörigen der Neonazi-Kameradschaft Strum 34 versuchten, die Veranstaltung anzugreifen.
Das sind Situationen, in denen ich durchaus Angst hatte, auch und vor allem wegen der Unmittelbarkeit der persönlichen physischen Bedrohung.
Diesmal ist es anders, es gibt durch PEGIDA keine unmittelbare physische Bedrohung mir gegenüber und dennoch macht mir die Situation gerade beinah mehr Angst, als das, was ich in Wurzen, Mittweida oder anderen sächsischen Städten und Gemeinden erlebt habe.
Es ist die umfassende Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas durch PEGIDA, der zu wenig widersprochen wird. Und ich halte es nicht für einen Zufall, dass wiederum Sachsen Zentrum der Bewegung ist.
Ich halte es nach wie vor nicht für ausgeschlossen, dass wir wieder Bilder aus Sachsen sehen, wie Anfang der 90er Jahre als in Hoyerswerda Flüchtlingsunterkünfte tagelang attackiert wurden, begleitet vom Applaus von „normalen“ und „besorgten“ Bürgern. Auch damals wollten viele Politiker die „Sorgen und Ängste“ ernstnehmen, was damals konkret hieß, dass das grundgesetzlich verankerte Grundrecht auf Asyl bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde.
Es gab wenig Solidarität mit den eigentlichen Opfern, den angegriffenen Flüchtlingen und viel Verständnis für die Täter. Und auch heute höre ich zu viel Verständnis für diejenigen, die ihren Hass auf die Straße tragen und zu wenig Empathie mit den Opfern.
Natürlich nehme ich erfreut zur Kenntnis, wenn der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in der vergangenen Woche zur Solidarität mit Flüchtlingen aufgerufen hat und an die Solidarität erinnert, die Ostdeutsche nach dem Mauerfall wiederfahren ist. Und natürlich nehme ich erfreut, die hochintelligente Rede der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) in der Auseinandersetzung mit den Themen Asyl und PEGIDA zur Kenntnis.
Ich sehe auf der anderen Seite aber auch, dass das, was Stanislaw Tillich und Helma Orosz geäußert haben, nicht durchgängige Meinung in der CDU ist. Und auch die sächsische FDP weiß Zu viele Anbiederungsversuche von ehemaligen oder auch gegenwärtigen sächsischen Landtagsabgeordneten liegen mir da quer im Magen.
Etwa wenn der ehemalige Landtagsabgeordnete Norbert Bläsner (FDP) auf facebook das Schreiben einer Frau mit den Worten kommentiert „Wir sind in einer Meinungsdiktatur mit Sippenhaft…“. Die Frau hatte sich dieser Tage an die Dresdner Touristeninformation gewandt und dieser mitgeteilt, dass sie eine ursprünglich nach Dresden geplante Reise wegen der PEGIDA-Demonstrationen nicht anzutreten gedenke.
Abgesehen davon, dass Bläsner sich eines Vokabulars bedient, das verdächtig nach PEGIDA klingt, zeigt sein Eintrag auch ein Mangel an Empathie denjenigen gegenüber, die sich durch PEGIDA und co. bedroht fühlen.
Eigentlich hätte ich hier gerne noch als weiteres Beispiel die Äußerungen eines anderen ehemaligen FDP-Landtagsabgeordneten auf facebook gebracht. Leider hat er mich offenbar mittlerweile nach einem inhaltlichen Disput, den wir wegen seines Beitrags hatten, aus seiner Freundesliste gestrichen, so dass ich keinen Screenshot seiner Äußerungen als Beleg mehr anfertigen kann.
Oder der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer, der seit Wochen bei Twitter Sympathiebekundungen und Verharmlosungen über PEGIDA twittert, weil er dort nicht vielmehr erkennen möchte als lediglich „besorgte“ Bürger.
Bei #Pegida in #Dresden. Viel #Politikverdrossenheit und #Wut. Aber auch besorgte #Bürger – #saxlt muss kommunizieren pic.twitter.com/HU0Stfm9MU
— Sebastian Fischer (@Heimat_Zukunft) December 15, 2014
Und allzu oft bekomme, ich dann aus den gleichen Kreisen zu hören: Da demonstrieren 15.000 Menschen, das kann mit Rassismus nichts zu tun haben. Als ob allein die Masse Ausdruck einer demokratischen Gesinnung wäre. Aber zu diesem Problem habe ich mich in dem Beitrag PEGIDA und die Mitte der Gesellschaft schon ausführlicher geäußert.
Mich jedenfalls erschrickt es, wenn recht deutlich rassistisch konnotiertes und die pluralistische Demokratie in Frage stellendes Gedankengut so offen wie bei PEGIDA artikuliert wird und dies auch von Teilen demokratischer Parteien schlichtweg geleugnet oder ignoriert wird.
Das erinnert fatal an das politisch-gesellschaftliche Klima in Sachsen, das zu einem weitreichenden Versagen im Umgang mit explizit neonazistischen Erscheinungsformen geführt hat und der Ausbreitung rechtsextremer Strukturen zu wenig entgegenzusetzen hatte. Erinnert sei nur an die Aussage des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus. Getätigt im Jahr 2000, also zu einer Zeit, als sich das Terrornetzwerk, das vor zwei Jahren als „Nationalsozialistischer Untergrund“ bekannt wurde, Sachsen als seinen Unterschlupf, als Ruhe- und Rückzugsraum, wählte, von dem aus die Neonazis vierzehn Jahre lang unbehelligt ihre menschenverachtende Ideologie in die Tat umsetzen konnten.
Hi Miro,
Bitte mach so weiter im Kampf gegen den Rechtsextremismus und der Pegida. Deutschland braucht solche mutigen Leute wie dich, die gegen diese rechten Hassprediger und Hetzer vorgehen. Die ersten Asylheime sind bereits wieder dem rechten Terror zum Opfer gefallen. Lass dich bitte nicht von diesem Bodensatz der Gesellschaft einschüchtern und engagiere dich weiterhin für die gute Sache. Auch Adolf Hitler hat genau so mit den Mitteln der Pegida seine Macht erlangt. Wehret den Anfängen! Außerdem haben die Pegida-Faschos vom Islam und dem Koran genau sowenig Ahnung wie die ISIS, aber in ihrer Menschenverachtung und Grad der Radikalität wiederum vieles gemeinsam. Das Traurige ist nur, dass viele gute und unschuldige Menschen leiden und solches Gesocks unverblümt ihre hasserfüllte Meinung in die Atmosphäre reinrülpsen dürfen. Nochmals super von Dir, dass du dich tapfer gegen diese Pegida-Nazis stellst. NoPegida!