Die Berliner Morgenpost und die Parteispenden

Die Berliner Morgenpost hat sich kürzlich mit dem Thema Parteispenden beschäftigt. In dem Beitrag schlüsselt die Berliner Morgenpost auf, wie hoch das Spendenaufkommen der im Bundestag vertretenen Parteien durch Unternehmen und natürliche Personen im Jahr 2013 war.

Aufmerksam geworden bin ich auf diesen Artikel nur aus einem Grund. Noch aus Abgeordnetenzeiten habe ich einen google alert mit meinem Namen eingerichtet (ja, ich weiß, das ist ein wenig eitel, aber als Abgeordneter hat es mich schon interessiert, in welchem Kontext mein Name so auftaucht). Für mich zunächst nicht ersichtlich wurde der oben verlinkte Artikel ausgespuckt, obwohl ich im Artikel selbst meinen Namen nicht entdecken konnte, im Seitenquelltext wurde ich hingegen fündig.

Etwas verwundert habe ich mich mit dem Artikel auseinandergesetzt und mich gefragt, worin der Zusammenhang bestehen könnte. Der Schlüssel liegt in folgendem in dem Artikel auftauchenden Satz:

Den Großteil der Spenden kassieren Deutschlands Parteien nicht von Unternehmen, sondern von Einzelpersonen. Von Menschen mit Interessen – und viel Geld. Die Grafik zeigt, wer besonders spendabel war. Wer weniger als 10.000 Euro gespendet hat, wird namentlich nicht genannt.

Erst ab einem Spendenaufkommen von mehr als 10.000 Euro muss eine natürliche oder juristische Person im Rechenschaftsbericht namentlich aufgeführt werden.

Das Jahr 2013 war ein Jahr, in dem meine Partei tatsächlich mehr als 10.000 Euro von mir erhalten hat, der Großteil stammte aus den von mir zu entrichtenden aus der Höhe der Grundentschädigung abgeleiteten Mandatsträgerbeiträge, meinem regulären Mitgliedsbeitrag bei den GRÜNEN und zwei Wahlkampfspenden, die ich zum einen den GRÜNEN Chemnitz habe zukommen lassen, weil die sich in einem für uns wichtigen Oberbürgermeisterwahlkampf befanden und zum anderen der Bundespartei während des Bundestagswahlkampfs, weil ich da zwei oder drei Großflächenplakate gespendet habe. 10.205,66 Euro machte das in Summe für das Jahr 2013 .

Meine Irritation ob des Artikels der Berliner Morgenpost rührt aus zweierlei. Erstens vermittelt die zitierte Formulierung einen anrüchigen Eindruck: „Menschen mit Interessen – und viel Geld“. Das suggeriert nicht gerade subtil das Bild, die Parteien würden nicht aus eigenem Willen und nicht im Interesse sinnvolle Politik zu machen, ihre Inhalte entwickeln, sondern weil an allen Ecken und Enden „Menschen mit Interessen – und viel Geld“ die Geschicke der Partei beeinflussen. Die Parteien als Spielball des Kapitals. Zweitens habe ich versucht, das mit meiner Realität in Abgleich zu bringen.

Klar habe ich Interessen: In welche Richtung sich meine Partei inhaltlich entwickeln sollte, dass meine Partei erfolgreich ist und dergleichen mehr. Also das, was vermutlich jedes Parteimitglied hat. Dass meine Stimme durch mein damaliges Spendenaufkommen mehr Gewicht in der Partei hatte als andere, wage ich allerdings zu bezweifeln. Die in der Formulierung mitschwingende Unterstellung, das Geld würde nur fließen, damit die Partei sich in eine bestimmte inhaltliche Richtung entwickelt, ist schlicht Blödsinn. Die Höhe meiner Abführungen an die Partei entsprangen einzig und allein der Tatsache, dass ich das große Glück hatte, als Mitglied des Sächsischen Landtags mit der Politik meinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Und jede Partei hat eigene Regelungen wie hoch der Anteil der an die Partei abzuführenden Beträge der Mandatsträger ist. Bei den GRÜNEN in Sachsen waren dies zu meiner Zeit 15% der Grundentschädigung.

Und damit bin ich bei Punkt zwei meiner Irritation. Sicherlich hatte ich im sächsischen Vergleich als Abgeordneter ein überdurchschnittliches Einkommen. Auf der anderen Seite hatte ich auch alles andere als „normale“ Arbeitszeiten, 50 – 70 Stunden in der Woche waren keine Seltenheit und nicht zu vergessen, mit einem Mandat geht auch ein deutlich überdurchschnittliches Maß an Verantwortung einher. Als „reich“ würde ich mich deswegen trotzdem nicht bezeichnen. 60.904 Euro betrugen meine Einkünfte als Abgeordneter im Jahr 2013, weitere Einkünfte hatte ich nicht. Wie gesagt, ein überdurchschnittliches Einkommen – keine Frage – aber nicht so, dass ich mehr als 10.000 Euro mal so eben aus der Portokasse bezahlen könnte. Ins Verhältnis gesetzt: etwas mehr als 20% meiner Einkünfte im Jahr 2013 sind in die Partei geflossen.

Von diesem Punkt ausgehend habe ich mich noch einmal intensiver mit der Aufstellung der Berliner Morgenpost auseinandergesetzt und den Rechenschaftsbericht der im Bundestag vertretenen Parteien angesehen. Der kann übrigens ohne großen Aufwand auf der Homepage des Deutschen Bundestages heruntergeladen werden. Schon ein oberflächlicher Blick auf die im Rechenschaftsbericht der GRÜNEN namentlich genannten natürlichen Personen zeigte mir, dass da eine ganze Reihe Mandatsträger auftauchen, Menschen also, die in einer vergleichbaren Sitution waren, wie ich im Jahr 2013.

Die Berliner Morgenpost steigt ein mit einem Schaubild, wie viele Spenden die Parteien von außerhalb bekommen haben, die also nicht unter die Rubrik „Mandatsträgerbeiträge und ähnliche regelmäßige Beiträge“ fallen. 4.980.187,89 Euro schlagen hier für die GRÜNEN im Jahr 2013 zu buche, davon 697.127,62 Euro durch juristische und 4.283.060,27 Euro durch natürliche Personen.

Auf diese 4.283.060,27 Euro stürzt sich dann die Berliner Morgenpost und schlüsselt auf, wie hoch die Summe Spenden über 10.000 Euro war und wie hoch die Summe der Spenden unter 10.000 Euro. Auf 852.531 Euro kommt die Berliner Morgenpost bei den Spenden unter 10.000 Euro. Macht rund 3.430.529 Euro die nach der Rechnung der Berliner Morgenpost aus Spenden über 10.000 Euro an die Partei geflossen sein sollen. Wohlgemerkt nach den Zahlen, die die Berliner Morgenpost ausweist, von außerhalb, nicht von Mandatsträgern.

Und das ist der Punkt, an dem der Artikel der Berliner Morgenpost schlichtweg falsch ist (wenn ich mich gerade nicht sehr irre). Auf die 3.430.529 Euro komme ich jedenfalls auf zwei Arten:

1. Ich ziehe von der von der Berliner Morgenpost ausgewiesenen Summe der Spenden an die GRÜNEN von außerhalb diejenigen ab, die unter 10.000 Euro liegen. Das ist die Rechnung, die im vorletzten Absatz auftaucht.

2. Ich ziehe von den im GRÜNEN Rechenschaftsbericht ausgewiesenen Spenden über 10.000 Euro (da komme ich auf insgesamt 246 Einzelspenden im Gesamtwert von 3.773.311,59 Euro) diejenigen ab, die nicht von natürlichen Personen stammen. Das macht nach meiner Zählung 14 Spenden mit einem Gesamtvolumen von 343.103,11 Euro. Der verbleibende Gesamtwert liegt bei etwas über 3.430.000 Euro.

Die Zahlen stimmen so auffallend überein, dass ich vermute, dass die Verfasser_innen des Artikels in der Berliner Morgenpost genau diese Rechnung aufgemacht haben. Nur, die stimmt so nicht. Nochmal: Die 4.283.060,27 Euro sind laut Rechenschaftsbericht Spenden von natürlichen Personen. Mandatsträgerbeiträge und ähnliche regelmäßige Beiträge werden in der Gesamtübersicht gesondert ausgewiesen. Aber: In der Liste der natürlichen und juristischen Personen, die mehr als 10.000 Euro an die Partei abgeführt haben, findet diese Trennung nicht mehr statt. Das heißt, da sind Spenden über 10.000 von außerhalb der Partei in einer Liste mit den Abgaben von Mandatsträgern, die über 10.000 Euro liegen.

Deshalb habe ich mir nocheinmal die Liste der Spender_innen angesehen, von denen im Jahr 2013 mehr als 10.000 Euro an die Partei geflossen sind. Nach meiner Zählung waren das 246, davon 14 Spenden durch Unternehmen, die restlichen 232 durch natürliche Personen. Und wenn ich mir diese 232 Namen ansehe, dann stelle ich fest, dass ich unter diesen 232 Namen lediglich vier (!) ausmachen konnte, bei denen ich durch eine schnelle Google-Recherche keinen GRÜNEN Hintergrund ausmachen konnte. Ergänzung vom 27.04.2015: Eine weitere Person fällt zwar in die Rubrik Mandatsträger, ist aber Mitglied einer anderen Partei. Wie diese Konstellation zustande kommt, ist sicherlich interessant, ändert aber an dem hier nachvollzogenen Gedanken nichts. Bei den übrigen 227 (nachträglich am 27.04.2015 um eins nach unten korrigiert, wegen des einen Mandatsträgers einer anderen Partei) handelt es sich um Mandatsträger, d. h. Abgeordnete der verschiedenen politischen Ebenen, vor allem aus dem Bundestag, dem Europaparlament und auch eine ganze Reihe von Landtagsabgeordneten. Des weiteren gibt’s da GRÜNE Staatssekretäre, Minister, einen Ministerpräsidenten und Bürgermeister. Ganz vereinzelt tauchen Personen auf, die in kommunalen Parlamenten aktiv sind.

Die große Story, die die Berliner Morgenpost krampfhaft herbeizuschreiben versucht, lässt sich zumindest für die GRÜNEN nicht nachvollziehen. Das alles habe ich mit rund drei bis vier Stunden Zeitaufwand nachvollzogen. Zeit, die eigentlich die Redakteure der Berliner Morgenpost hätten aufbringen müssen, um zu schauen, ob die eigene im Artikel formulierte These stimmt. Und natürlich würde der Aufwand steigen, würde man versuchen, das, was ich nun am Beispiel der GRÜNEN nachvollzogen habe, auch für CDU, CSU, SPD, FDP und LINKE zu tun. Das habe ich aus Zeitgründen nicht getan, das wäre auch an und für sich der Job der drei Journalist_innen gewesen, die für diesen Artikel verantwortlich zeichnen. Das Prinzip „Recherche ist ein Ausdruck von Meinungsschwäche“ ist ganz sicher nicht hilfreich für die journalistische Arbeit. Und so bleibt nur die Hoffnung, dass sich die Berliner Morgenpost, oder wer auch immer sich sonst an das Thema Parteispenden heranmacht, zukünftig sauber recherchiert. Bei dem Thema gibt es sicherlich genug, das ernsthaft diskutiert und kritisiert werden könnte. Z. B. die Frage, ob die Grenze von 10.000 Euro, ab der Namen veröffentlichungspflichtig sind, nicht eigentlich zu hoch angesetzt ist.

Und natürlich ist die Frage, ob Einzelpersonen oder Unternehmen durch Spenden versuchen gezielt Einfluss auf die konkrete Politik von Parteien zu nehmen, immer spannend. Aber dann sollte das bitte auch an konkreten Fällen mit konkreten Beweisen geschehen und nicht in einem Stil, der ziemlich offensichtlich auf Vorurteilen und ohne entsprechende faktische Untersetzung basiert. Ansonsten trägt man, wie die Berliner Morgenpost im vorliegenden Fall, auch nur dazu bei, das Maß an Politikverdrossenheit zu steigern.

Ein Gedanke zu „Die Berliner Morgenpost und die Parteispenden“

  1. Parteipolitische Kampfblätter aus dem Hause Springer, deren Hauptziel es ist, alles was sich nicht auf dem Kurs der CDU und auf der Linie Springer befindet in Mißkredit zu bringen, mal mehr (Morgenpost/Welt) und mal weniger (BILD) subtil- es mit der Wahrheit nicht so genau nehmend. Da ist jedes noch so verlogene und realitätsverfälschende Mittel recht.

    Und die wissen ganz genau was sie da tun- dass diese Menschen sich guten Gewissens noch im Spiegel betrachten können liegt wohl auch nur daran, dass sie sich einzureden versuchen für ein in ihren Augen vermeintlich „höheres und für Deutschland gutes Ziel zu kämpfen“ und Moral bei der Wahl ihrer Mittel dabei nicht relevant ist, ja wohl nicht mal relevant sein darf. Das scheinen die ihren Schreiberlingen auf geradezu gehirnwaschende Art und Weise so in die Köpfe zu hämmern, dass auch diese jegliche Bedenken und Ethos mit Wonne das Klo hinunterspülen.

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