Sächsische Medien veröffentlichen Namen von Opfer rechter Gewalt – Beschwerde beim Presserat eingereicht

In der Nacht vom 23. zum 24. Juni 2015 wurde ein Auto angegriffen, das sich auf dem Rückweg von Freital befand. Die Insassen des Autos kamen von einer Solidaritätskundgebung vor dem Flüchtlingsheim in Freital, das zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Wochen immer wieder zur Zielscheibe rassistisch motivierter Übergriffe wurde und vor dem es wiederholt zu deutlich rassistisch motivierten Kundgebungen kam. Das Auto wurde zunächst von zwei weiteren Fahrzeugen verfolgt und schließlich von Insassen der Verfolgerfahrzeuge mit einem Baseballschläger attackiert.

In der Ausgabe vom 11./12. Juli gaben die Leipziger Volkszeitung (LVZ) und ihre Schwesterzeitung die Dresdner Neuesten Nachrichten (DNN) die Identität eines der Opfer ohne dessen Einwilligung bekannt. MOPO24 Dresden und Sächsische Zeitung folgten in den nächsten Tagen mit eigener Berichterstattung.  Die Identität des Opfers wurde meines Erachtens nur aus dem Grund öffentlich gemacht, weil es sich dabei um Johann Dulig, den Sohn Martin Duligs, des sächsischen Staatsministers für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr,  handelt.

Mit der Berichterstattung wurde das Opfer nicht nur einer erheblichen Gefahr weiterer Übergriffe ausgesetzt, auch die Art und Weise der Aufmachung und des Inhalts nehmen dabei Züge einer gezielten Kampagne gegen Johann Dulig an. Ich habe daher heute Beschwerde beim Presserat eingereicht.

Den Wortlaut der Beschwerde dokumentiere ich im Folgenden. Beschwerden beim Presserat sind entweder per E-Mail unter info@presserat.de oder hier online möglich.

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit reiche ich Beschwerde gegen die nachfolgend genannten Artikel beim Presserat ein. Meiner Ansicht nach verstoßen die nachfolgend genannten Medien mit ihrer Berichterstattung gegen Ziffer 8 „Schutz der Persönlichkeit“ und insbesondere Ziffer 8.2 „Opferschutz“ des Pressekodex.

In der Ausgabe vom 11./12. Juli 2015 berichtet die Leipziger Volkszeitung (LVZ) sowie deren Schwesterzeitung Dresdner Neueste Nachrichten (DNN) auf Seite 6 unter der Überschrift „Attacke auf Sohn von SPD-Chef Dulig“ über einen Angriff auf ein Auto, in dem Johann Dulig in der Nacht vom 23. zum 24. Juni 2015 auf dem Rückweg von Freital saß. Das Auto war zunächst von zwei Fahrzeugen verfolgt worden und schließlich von Insassen des Verfolgerfahrzeuges mit Baseballschlägern attackiert worden. Der Artikel ist auch unter der Überschrift „Baseballschläger-Angriff: Attacke auf Sohn von SPD-Chef Dulig“ über den Online-Auftritt der LVZ wie auch den Online-Auftritt der DNN abrufbar. Mit Bezug auf den LVZ-Artikel berichtet MOPO24 Dresden am 12. Juli 2015 unter der Überschrift „Sohn von SPD-Chef Dulig mit Baseballschläger angegriffen“ ebenfalls über diesen Vorfall. Ebenfalls am 13. Juli berichtet die Sächsische Zeitung (SZ) in ihrer Printausgabe auf Seite 6 unter der Überschrift „Schläger-Attacke auf Sohn von SPD-Chef Dulig“ über den Vorfall. Am 14. Juli 2015 berichtet die SZ erneut auf Seite 6 ihrer Printausgabe unter der Überschrift „Ein Kreisrat geht auf Tauchstation“ über den Angriff. Dieser Artikel ist auch online über den Internet-Auftritt der SZ abrufbar.

Begründung: Aus der Art der Berichterstattung geht hervor, dass die namentliche Nennung offenkundig ohne Einwilligung des Betroffenen geschah. Mithin liegt ein Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung vor. Ziffer 8.2 des Pressekodex hebt überdies auf den besonderen Schutz der Identität von Opfern ab.

Die Tatsache, dass es sich in diesem Fall um den Sohn eines sächsischen Staatsministers und des Landesvorsitzenden der SPD handelt, begründet kein hinreichendes öffentliches Interesse bzw. überwiegt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen. Auch die Tatsache, dass es sich bei Johann Dulig um einen Kreisrat der SPD im sächsischen Landkreis Meißen handelt, begründet dieses öffentliche Interesse meines Erachtens nicht. Insbesondere die aufgeführten Artikel von LVZ, DNN und MOPO24 stellen von vornherein nicht auf die öffentliche Person Johann Dulig ab, als die er als Kreisrat eingeschätzt werden könnte. Vielmehr ergibt sich der Nachrichtenwert für die genannten Medien in erster Linie aus der Tatsache, dass es sich bei Johann Dulig der Sohn des sächsischen Staatsministers Martin Dulig ist. Im Falle von MOPO24 ist überdies das verwendete Portrait-Bild von Johann Dulig fragwürdig. Optisch mutet dies an wie ein Fahndungsbild der Polizei und hebt das Opfer somit optisch in eine Täterposition.

Eine Opfer-Täter-Umkehr nimmt auch die Sächsische Zeitung vor. Die Tatsache, dass Johann Dulig zum Opfer einer Straftat geworden ist, gerät in den Hintergrund, stattdessen versucht der Autor des Artikels mit fragwürdigen Aussagen, eine Nähe des Opfers ins linksradikale Spektrum zu konstruieren.

Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist der konkrete politische Hintergrund des Angriffs auf das Auto, in dem sich das Opfer befand. Da die Insassen des attackierten Fahrzeuges wegen der fortgesetzten rassistisch motivierten Angriffe auf die Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Freital sowie deren Bewohner von einer Solidaritäts-Kundgebung vor der Flüchtlingsunterkunft kamen, ist mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit von einer rechtsmotivierten Straftat auszugehen. Die Ermittlungen in diesem Fall hat das Operative Abwehrzentrum des Freistaates Sachsen übernommen, das auf rechtsextremistische Straftaten spezialisiert ist.

Die Preisgabe der Identität des Opfers ohne dessen Einwilligung bedeutet eine erhebliche Gefährdung für das Opfer. Bei dem Opfer handelt es sich um einen gerade einmal 20-jährigen jungen Mann, der aufgrund der namentlichen Nennung nun massiven Anfeindungen ausgesetzt ist. Die Kommentare unter dem MOPO24-Artikel auf der Facebook-Seite von MOPO24 Dresden sind beredter Ausdruck dessen. Auch die Kommentare auf der Facebook-Seite der Sächsischen Zeitung zu dem Artikel belegen dies. Mittlerweile hat die Landtagsfraktion der AfD diese Steilvorlage der Sächsischen Zeitung genutzt, um eine gezielte politische Kampagne gegen Johann Dulig zu fahren.

Gerade vor dem Hintergrund der hohen Militanz der rechtsextremistischen Szene in Sachsen und der nachgewiesenen Häufung rassistisch motivierter und rechtsmotiverter Straftaten (Beispiele hier und hier) hätte das Schutzbedürfnis des Opfers durch LVZ, DNN, MOPO24 Dresden und Sächsische Zeitung nicht leichtfertig aufgegeben werden dürfen.

4 Gedanken zu „Sächsische Medien veröffentlichen Namen von Opfer rechter Gewalt – Beschwerde beim Presserat eingereicht“

  1. Ich verstehe warum Sie Beschwerde beim Presserat eingereicht haben. Was ich nicht verstehe ist, weshalb Sie den Namen des Opfers hier auf Ihrem eigenen Blog posten?

    Grüße

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