Mein Ausflug zu LEGIDA beginnt mit dem Vorsatz zunächst nicht zur Gegendemo zu gehen, sondern zunächst so weit wie möglich an die LEGIDA-Demo selbst heran zu kommen und mir einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. Eine gewisse Nerosität verspüre ich schon, weil es das erste Mal seit fünf Jahren ist, dass ich keinen Abgeordnetenausweis in der Tasche habe, der mich gegebenenfalls auch durch Polizeisperren bringt und so Wege ermöglicht, die anderen verschlossen sind.
Die Nervosität stellt sich schnell als unbegründet heraus, an das eingezäunte Aufmarschgebiet von LEGIDA komme ich kurz vor 18 Uhr ohne Probleme. Mein Vorsatz, mir möglichst lang einen direkten Eindruck von LEGIDA zu verschaffen, löst sich dann jedoch schnell auf. Zunächst beobachte ich einige Teilnehmer, die offenkundig zu LEGIDA wollen. Überwiegend männlich, über 30. Darunter befinden sich auch mehrere, die offenkundig ins Hooligan-Spektrum gehören. Szenekundige Menschen machen mich auf mehrere Anhänger der extrem Rechten Hooligan-Grupierung „Metastasen“ aufmerksam. Modell: so breit wie hoch und von einer Ausstrahlung, dass im Vergleich selbst meine Schrankwand im Wohnzimmer noch mehr intellektuelle Strahlkraft hat.
Das ist etwa der Zeitpunkt, an dem sich mein Ausgangsplan in Luft auflöst, weil immer mehr Gegendemonstranten zum LEGIDA-Aufmarschgebiet strömen und einen der Zugänge zunächst einmal dicht machen. Mehrere ältere Ehepaare, die auch zu LEGIDA wollen, drehen entgeistert ab. Ob damit ihr fester Glaube „das Volk“ zu sein, trotz des durch die vielen Gegendemonstranten bewiesenen Gegenteils, erschüttert wird, darf allerdings bezweifelt werden. Nicht einmal die Reden bei LEGIDA kann ich hören, weil alles was von dort kommt, im Lärm der Gegendemonstranten untergeht. Viel verpasst habe ich vermutlich nicht.
Wie geht es weiter mit LEGIDA und PEGIDA, mit Dresden, Leizpig und Sachsen?
Viel war zuletzt spekuliert worden, ob sich PEGIDA als ostdeutsches, sächsisches oder Dresdner Problem herauskristallisieren würde. Der gestrige Abend hat gezeigt, dass es überwiegend ein Dresdner und in Teilen ein sächsisches Problem ist. LEGIDA war gestern unter dem Strich nicht erfolgreich. Jetzt kommt ein aber. Nach Medienberichten brachte auch LEGIDA rund 4.800 Menschen auf die Straße. Damit erreichte LEGIDA in etwa die von den Veranstaltern prognostizierte Zahl von über 5.000 Demonstranten. Das ist deutlich mehr als ich erwartet hatte und nur das eindrucksvolle Zeichen von über 30.000 Gegendemonstranten hat verhindert, dass LEGIDA in Leipzig ein Erfolg war.
Ganz anders sieht es hingegen in Dresden aus. Von dem eindrucksvollen Zeichen, das am Samstag von der von der Staatsregierung mitinitiierten Demo für Weltoffenheit ausging, ist schon zwei Tage später kaum noch etwas übrig. PEGIDA wächst weiter, nach Polizeiangaben waren es gestern rund 25.000 Menschen. Demgegenüber standen lediglich – ebenfalls nach Polizeiangaben – rund 7.000 Gegendemonstranten.
Damit zeichnet sich in meinen Augen folgendes Szenario ab. LEGIDA wird noch ein paar Anläufe unternehmen, in Leipzig Fuß zu fassen. Hier kommt es also in den nächsten zwei, drei, vier Wochen darauf an, einen ähnlich breiten Gegenprotest auf die Straße zu bringen. Sollte dies gelingen, ist absehbar, dass LEGIDA von Woche zu Woche kleiner wird. Angesichts des anhaltenden Erfolgs von PEGIDA wird sich das Demonstrationsgeschehen weiter auf Dresden konzentrieren und auch die LEGIDA-Verantwortlichen werden perspektivisch nach Dresden mobilisieren. Demonstrieren macht halt mehr Spaß, wenn man nicht auf soviel Gegenprotest trifft.
Für die extreme Rechte hat Dresden ohnehin mehr Symbolwert. Zuletzt hat es hier bei Großkundgebungen diverse Schlappen gegeben. Der 13. Februar ist durch die mehrfach erfolgreichen Blockaden vom einst größten Neonazi-Aufmarsch Europas zu einer deutlich übersichtlicheren Veranstaltung zusammen geschrumpft. Der 2014 in Dresden ausgerichtete „Tag der deutschen Zukunft“ entwickelte sich für die Aktuere der Neonazi-Szene ebenfalls zum Fiasko. Und auch die in Dresden von der NPD initiierten Kundgebungen rund um den 17. Juni endeten in den letzten Jahren stets in einem Fiasko.
PEGIDA ist für die extreme Rechte seit Jahren der erste nennenswerte Erfolg in Dresden, was sicherlich auch mit dem Strategiewechsel der PEGIDA-Organisatoren zu tun hat, eben nicht vorrangig auf militantes Neonazi-Potential zu setzen, sondern die rassistischen Kernthesen so zu verpacken, dass sie anschlussfähig sind an die Mitte der Gesellschaft. Über die Hintergründe der PEGIDA-Organisatoren berichtet Der Spiegel in der aktuellen Ausgabe.
In Dresden rächt sich jetzt, dass hier in den letzten Jahren der Anti-Nazi-Protest massiv kriminalisiert wurde. Das mit dem massenhaften Ausspähen von Handydaten und den politisch motivierten, juristisch nicht haltbaren Prozessen gegen Anti-Nazi-Aktivisten geschaffene Klima der Einschüchterung trägt in Dresden offenbar leider Früchte.