Am 12. Januar lud die mdr-Sendung „Fakt ist…!“ zum Talk über „PEGIDA – die unerhörten Bürger?“. Das Fragezeichen im Sendetitel suggerierte lediglich eine Offenheit in der Diskussion, die sich schnell als Runde der PEGIDA-Versteher entpuppte, ohne tatsächlich nach Hintergründen oder dem Charakter dieser Protestbewegung zu fragen. Dass unter den vier geladenen Gästen Staatsminister Markus Ulbig, Frank Richter (Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung) und Johannes Lohmeyer (ehemals FDP-Vorsitzender von Dresden und Hotelier) auf jeden Fall drei viel Verständnis für PEGIDA aufbringen würden, war bereits im Vorfeld klar. Dass auch Antje Hermenau (frühere Vorsitzende der GRÜNEN Landtagsfraktion im Sächsischen Landtag) sich ebenfalls in den Reigen der PEGIDA-Versteher einordnen würde, war zwar auch keine übermäßige Überraschung, enttäuscht aber schon, zumal sowohl die GRÜNEN im Land als auch im Bund sich klar gegen die rassistischen und demokratiefeindlichen Positionen der PEGIDA-Bewegung positioniert haben.
Fakt ist…!: Fragwürdie Zusammensetzung der Diskussionsrunde
Schon die Zusammensetzung der Runde wirft Fragen auf. Zwar merkte Moderator Andreas F. Rook zu Beginn der Sendung noch an, dass auch ein Vertreter von PEGIDA angefragt worden sei, von dort jedoch eine Absage kam. Warum nicht auch ein Vertreter beispielsweise des Sächsischen Flüchtlingsrats, geladen war, der die Perspektive der potentiellen Opfer und Betroffenen des PEGIDA-Rassismus hätte vertreten können, bleibt eine ungeklärte Frage. Überhaupt blieb die Opferperspektive in dieser Diskussionsrunde vollkommen außen vor. Auch einen journalistischen und/oder wissenschaftlichen Experten, der das Demonstrationsgeschehen tatsächlich hätte einordnen und deutlich machen können worin das rassistische und demokratiegefährdnende Potential von PEGIDA und Co. liegt, suchte man vergeblich. Und so plätscherte die Diskussion nicht nur äußert oberflächlich vor sich hin, sondern leistete auch einen Beitrag zur Verharmlosung.
Überhaupt machte Moderator Andreas F. Rook eine durchgehend schlechte Figur. Zwar beklagte er im Laufe der Sendung, dass einige Medien wohl in den letzten Jahren die gebotene Neutralität gegenüber den Themen verloren hätten, über die sie berichten, dass auch er nicht neutral ist in der Diskussion machte er allerdings schnell klar, indem er mit Blick auf die Anti-PEGIDA-Proteste anmerkte: „Die Gegenseite hat offenbar auch Freude daran, mehr zu sein als die anderen.“ Warum dies wichtig sein könnte, welche politische Symbolkraft davon ausgeht und ob möglicherweise ein solches politisches Symbol wichtig sein könnte für die potentiellen Opfer rassistischer Gewalt wurde nicht thematisiert. Rook trug somit von vornherein dazu bei, die Diskussion zu entpolitisieren.
Fakt ist…!: Fehlende inhaltliche Auseinandersetzung mit PEGIDA
Aber auch der Rest der Diskussionsrunde machte nicht unbedingt den Eindruck als hätte er sich mit den mittlerweile doch recht zahlreichen Analysen über das, was bei PEGIDA so vor sich geht auseinandergesetzt. Innenminister Ulbig stellte zwar fest, dass die PEGIDA-Demonstranten ein demokratisches Grundrecht in Anspruch nehmen (was niemand in Abrede gestellt hat), verzichtete aber darauf, die Frage zu stellen, ob die in der Demonstration transportierten Inhalte auch demokratisch sind.
Frank Richter von der Landeszentrale für politische Bildung kam mit Blick auf PEGIDA zu dem Schluss: „Wir müssen nachfragen, was sie meinen.“ So als hätte es das Demonstrationsgeschehen der letzten Wochen, die vielfach dokumentierten Rufe „Lügenpresse“, „Volksverräter“ und Co. nicht gegeben, als wäre es ein Kunststück die Sprache der Ausgrenzung von PEGIDA zu entlarven.
Johannes Lohmeyer glänzte mit der durch und durch zynischen Bemerkung „Politik ist eine Aktiengesellschaft und die Bürger sind die Aktionäre“ und Antje Hermenau versuchte den Protest damit zu erklären, dass mittlerweile viele Menschen Angst um ihr Sparbuch hätten.
Mit einer wirklichen Auseinandersetzung mit PEGIDA hatte dies wenig zu tun. Sekundiert wurden die Diskutierenden dabei von Moderator Rook, dessen Hauptziel in der Sendung es offenkundig war, Innenminister Ulbig endlich zu der Aussage zu bewegen, dass er sich mit dem PEGIDA-Organisationsteam trifft. Verwundert stellte er fest, dass eine Nachfrage bei diesem Organisationsteam ergeben habe, dass bislang keine Einladung von Seiten der Staatsregierung für ein Gespräch vorliege. So als wäre in den letzten Wochen die kriminelle Vergangenheit von Lutz Bachmann nicht bekannt geworden, so als hätten Medien die zahlreichen von PEGIDA verbreiteten Falschbehauptungen nicht aufgeklärt, so als wäre jüngst nicht bekannt geworden, dass die Organisatoren von PEGIDA mit Rassismus und Hitler-Zitaten arbeiten und die Sprache von PEGIDA deutliche Bezüge zur Sprache des Nationalsozialismus aufweist, so als hätte das ARD-Magazin panorame nicht ungeschnittene O-Töne von PEGIDA-Demonstranten geliefert, die das deutliche rassistische Potential dokumentieren.
Innenminister Ulbig versäumte an dieser Stelle genau auf diese Fakten zu verweisen und die Nichteinladung damit zu begründen, stattdessen ließ er sich zu dem verdrucksten Zugeständnis verleiten, mit dem PEGIDA-Organisationsteam reden zu wollen.
Fakt ist…!: Dürftige Präsentation von Erkenntnissen über PEGIDA
Garniert wurde die Sendung mit ein paar Erkenntnissen von infratest dimap, die deutlich machten, dass es ein erhebliches Entfremdungspotential in der Bevölkerung gegenüber Politik und Politikern gibt und dieses Entfremdungspotential unter PEGIDA-Anhängern noch einmal deutlich höher ist. Es fehlte allerdings auch hier eine Untersuchung, die der Frage nachgespürt hätte, ob das rassistische Potential unter PEGIDA-Anhängern stärker ausgeprägt ist, als im Durchschnitt der Bevöllkerung. Dass die jüngste „Mitte“-Studie von Oliver Decker, Elmar Brähler und Johannes Kiess deutlich gezeigt hat, dass sich die Abwertung von Gruppen durch menschenfeindliche Einstellungen derzeit vor allem auf Musliminnen und Muslimen, Sinti und Roma sowie Asylbewerberinnen konzentriert, also den Gruppen, die im Fokus von PEGIDA stehen (ausführlicher dazu PEGIDA und die Mitte der Gesellschaft), blieb leider auch unbeachtet, wäre aber zur Einordnung des Demonstrationsgeschehens ungeheuer wichtig gewesen.
Fakt ist…! hat damit eine durch und durch schlechte journalistische Leistung in einem seriösen Medium in der Auseinandersetzung mit PEGIDA abgeliefert. Hätte diese Form der Diskussion zu Beginn der inhaltlichen Auseinandersetzung mit PEGIDA gestanden, hätte man dafür noch Verständnis haben können. Nachdem diese Auseinandersetzung nun aber drei Monate läuft, ist das in der Sendung gelieferte inhaltliche Niveau schlicht ein Armutszeugnis. Fakt ist…! und Andreas F. Rook haben damit einen aktiven Beitrag zur Verharmlosung von PEGIDA und der dort transportierten rassistischen und anderer menschenverachtenden Einstellungsmuster geleistet.
Wer sich die Sendung selbst ansehen will hat hier in der Mediathek des mdr dazu die Möglichkeit.
Ein sehr treffender Beitrag.
Die Schlussfolgerung werden auch dadurch bestätigt, dass von den „Pegida-Verstehern“ massenhaft Zustimmung zu dieser Sendung gepostet wird. „Nun beginne endlich die Auseinandersetzung. ….“